26.4.07

Ragnarök

„Am 30. Mai ist der Weltuntergang, wir leben nicht mehr lang, wir leben nicht mehr lang." (Golgowsky-Quartett, 1954)

Ragnarök oder die Götterdämmerung, wie es bei Richard Wagner heißt, ist das Ende der Welt nach der Auffassung des nordischen Götterglaubens. Die Vorstellung allein jagt mir immer einen kleinen Schauder über. Ich kann es nicht wirklich gedanklich erfassen, weil es im Grunde eine bloße Angstfantasie oder eine ins allgemeine übertragene Todesfurcht ist. Ich fand bei meiner Suche aber eine Webseite von der Liste aller mit Datum angekündigten Weltuntergänge. Danach hat es allein während meiner Lebenszeit schon fast Hundert davon gegeben. Das relativiert die Geschichte wieder auf sehr angenehme Weise.

Apokalyptische Prophezeiungen existieren bereits seit der frühen Antike. Es scheint ein Thema zu sein, das die Menschen immer schon beschäftigt hat. Heutzutage ist es für manche Sekten vielleicht auch ein gutes Geschäft, für die Medien allemal. Zahlreiche Spielfilme handeln davon: Dooms Day, Armaggeddon, Deep Impact, The Core sind nur einige, die mir spontan dazu einfallen, obwohl ich solche Endzeitfilme überhaupt nicht gern schaue, weil humorlose Machohelden mir ein Gräuel sind. Eine Ausnahme bildet da „Per Anhalter durch die Galaxis“, das auch mit dem Ende der Welt beginnt.

Weltuntergänge zu fürchten scheint schon zu den Zeiten der nomadisierenden Indoeuropäer gang und gäbe gewesen zu sein, darauf lassen die Berichte von den verschiedenen Völkern dieser Kultur schließen. Denn Vulkanausbrüche, Erdbeben, Eiszeiten, Dürreperioden, das Ansteigen des Meeresspiegels und die Einschläge von Meteoriten sind reale Bedrohungen für das Überleben. Und die Erinnerung an solche Ereignisse, sofern sie überlebt wurden, wird für viele Generationen lang gespeichert. Heute gesellen sich noch der nukleare Holocaust, Killerviren und andere Menschen gemachte Vernichtungsmöglichkeiten dazu. Der Suchbegriff „Weltuntergangsstimmung“ ergab bei google fast 38.000 Seiten!

Ragnarök, das „Schicksal der Götter“, beginnt mit dem Tod Balders und der Verurteilung Lokis deswegen. Ein extrem kalter und dunkler Winter setzt ein und dauert ohne Unterbrechung drei Jahre lang an. Die Himmelswölfe verschlingen Sonne und Mond, und die Sterne fallen vom Firmament, bringen die Gebirge zum Einsturz und lösen die Fesseln aller Ungeheuer und Feinde der Götter und Menschen. Aus dem unbekannten Süden, vom Feuerreich Muspellheim her, kommen Reiter, die die Welt in Brand setzen. Unter ihrem Gewicht bricht die Regenbogenbrücke Bifröst zusammen. In der Entscheidungsschlacht wird Odin vom Fenriswolf verschlungen, Thor und die Midgardschlange bringen einander um. Freyr wird vom Feuerriesen Surt erschlagen, Tyr und der Höllenhund Garm töten sich gegenseitig, ebenso wie Heimdall und Loki. Die ganze Welt brennt. Selbst Yggdrasil, die Weltenesche, steht in Flammen. Miteinander versinkt alles im Meer.

Doch aus den Fluten erhebt sich alsdann eine neue Erde, grün und wunderbar, auf der das Korn ganz von allein wächst. Die überlebenden Asen versammeln sich auf einem Hügel, und das einzige, im Schlaf gerettete Menschenpaar, Bruder und Schwester, werden die Ahnen eines neuen Menschengeschlechts.

Allerdings habe ich bei der ganzen Sache nichts über die Göttinnen gelesen, sie werden mit keinem Wort erwähnt. Was das wohl zu bedeuten hat?


Was ich mich außerdem immer gefragt habe: ist das nun schon passiert, oder kommt das noch? Darüber gibt es zwar eine Menge Theorien, aber so richtig zufrieden stellen tut mich keine davon. Es ist und bleibt eben eine Geschichte, so wie die vielen anderen, die die Menschen sich immer schon erzählt haben. Und dass die Frauen darin unterschlagen werden, kennen wir ja zur Genüge...

20.4.07

Nochmal Freya

Mir gefällt die Theorie, dass die Wanengöttin Freya, die möglicherweise später zu Wodans Ehefrau Freja (Frigg) wurde, ursprünglich die Große Göttin des Neolithikums war. Und dass sie mit ihrer Mutter Njörd, die bei Tacitus Nerthus genannt wird, und die bei den Germanen kurzerhand in einen männlichen Gott verwandelt wurde, eine Mutter-Tochter-Zweiheit bildet, ähnlich wie Demeter und Persephone in der griechischen Mythologie. Dazu passt auch, dass Freya ursprünglich als Jungfrau gedacht war. Der Begriff Jungfrau bedeutete in früheren Zeiten nämlich nicht unbedingt eine sexuell unerfahrene Frau, sondern eine Frau, die keinem Mann angehörte und selbstbestimmt lebte. Loki hat sie dafür auch in einer Schmährede vor allen anderen Göttern verurteilt. Manche glauben, dass ihr Bruder-Geliebter Freyr ursprünglich ihr kleiner Sohn war, ein ähnliches Bild wie das der heute immer noch auf diese Weise dargestellten christlichen Madonna. Später wurde Freyr (Fro, Fricco = Herr) als ein Vegetationsgott angesehen, ein Beherrscher des Wetters, der seltsamerweise weder in Asgard noch in Wanaheim zuhause war, sondern bei den Lichtelfen wohnte.

Auf jeden Fall ist Freya eine Naturgottheit, die fruchtbare Erde selber und eine Frühlingsgöttin. Was liegt da näher, als sie auch als Liebesgöttin anzurufen, wo doch Liebe und Fruchtbarkeit einstmals eng zusammengehörten. Sie besitzt ein Falkengewand und ein Schwanenkleid, mit denen sie sich in die entsprechenden Vögel verwandeln kann, was auf schamanische Wurzeln hindeutet. Zumal sie auch des Seid kundig ist, einer Nordischen Variante der schamanischen Trance, die Odin von ihr lernt. Zur Todesgöttin wird sie, wenn sie auf dem Schlachtfeld die Hälfte aller Gefallenen für sich auswählt (nur die im Krieg getöteten Frauen?) und in die Sitzhalle Sessrumir in ihrem Palast Folkwang bringt. Ich kann da geradezu die ganzen gemütlichen Sessel, Lehnstühle, Sofas, Couchen, Diwans, Kanapees, Polsterbänke, Ottomanen, Recamieren und Chaiselongues vor mir sehen – ein schöner Tod, wenn dann auch noch Getränke gereicht werden und leise Musik gespielt wird...

Auch ein Kampfschwein namens Hildiswini gehört zu Freyas Attributen und einer ihrer Ehrennamen war "Sau". Gefahren kam sie in einem Wagen, der von Katzen gezogen wurde. Berühmt und geheimnisvoll ist auch ihr prächtiger Halsschmuck Brisingamen, den nie ein Mensch sah und der von vier Zwergen geschmiedet wurde, mit denen sie angeblich als Bezahlung jeweils eine Liebesnacht verbringen musste. Das könnte nun jemand für üble Nachrede halten, aber warum auch eigentlich nicht? Die Moralvorstellung waren zu jenen Zeiten ganz sicherlich andere, und Sex galt einstmals als heilige Handlung. Andere wiederum meinen, der Halsschmuck sei aus Bernstein gewesen, dem Gold des Nordens. Brisingamen wird auch mit den Strahlen der Sonne in Verbindung gebracht, nannten die Germanen doch die Sonne ihre Goldene Jungfrau. Ebenso hat der Halsschmuck möglicherweise mit dem Regenbogen und der Brücke Bifröst zu tun. Allerdings gibt es unzählige Darstellungen von jungsteinzeitlichen Göttinnen, die sowohl als kleine Statuetten als auch in Form von Stelen und als Steinreliefs und in Höhlen gefunden worden sind, und die alle mit einer oft dreifachen Halskette geschmückt sind.

Sowohl unser Freitag wurde nach Freya benannt, als auch leitet sich das Wort Frau von ihrem Namen ab und bedeutet ursprünglich „die Freie“.









Freya, Silberbrosche aus Schweden, 6. Jahrh.