31.1.07

Schöpfungsmythen

Es geht sich immer flotter und flotter beim Runen-Aufsagen…

Beim draußen Herumlaufen habe ich mir auch noch mal so meine Gedanken über die Wanen und die Asen gemacht. Wenn es bei den Wanen um Sex geht – im weitesten Sinne und auch ganz direkt möglicherweise - so ist das Thema bei den Asen die Gewalt, so weit ich es bis jetzt sehe. Also Sex und Gewalt, die zwei großen problematischen Themen in unserer heutigen Gesellschaft, an denen sich die Gemüter erregen und die Geister scheiden.



Einst war das Alter, da alles nicht war
Nicht Sand noch See noch salzige Wellen
Nicht Erde fand sich noch Überhimmel
Gähnender Abgrund und Gras nirgends
(Jüngere Edda, 4)

Den nordischen Weltschöpfungsmythos finde ich immer noch furchtbar konfus, obwohl ich ihn schon so oft gelesen habe. Dagegen ist die biblische Schöpfungsgeschichte schnell erzählt, was vielleicht auch einen Teil ihrer Popularität ausmacht. Selbst die griechischen Göttersagen sind dagegen logisch nachvollziehbar, da folgt einfach eine Generation auf die andere über einige Vatermorde und –Verstümmelungen bis hin zum Obergott Zeus.

In der nordischen Geschichte entstehen Riesen, Götter und Menschen anscheinend parallel und völlig durcheinander. Es scheint, als hätten viele verschiedene Generationen mit unterschiedlichen Interessensschwerpunkten an diesen Erzählungen mitgewirkt, ohne sich um eine schlüssige Gesamtlogik zu kümmern. Also allein, wenn ich die Entstehung der Menschen betrachte: da leckt erst die Urkuh Audumbla einen schönen Mann namens Buri aus dem Eis. Ist dieser nun ein Riese, ein Gott oder ein Mensch? Mann würde ich noch am ehesten mit Mensch assoziieren. Dieser ist später der Großvater von Odin und seinen Brüdern, seine Schwiegertochter ist eine Riesin, sodass die Asen zu gleichen Teilen von Menschen und von Riesen abstammen.

Während die Asen dann später aus dem Leib des getöteten Urriesen Ymir, also ihres Vorfahren sozusagen, die Welt erschaffen, taucht plötzlich ein Erdensohn (Mensch?) namens Mundilföri auf, dessen Kinder, Sol und Mani, die Asen rauben und zu Sonne und Mond machen. Mani wiederum hat zwei geraubte (Menschen?)–Kinder bei sich, Bil und Hjuki, die sein Zu- und Abnehmen darstellen sollen.

Und dann erst finden die Asen an einem Strand zwei Bäume oder Treibhölzer und machen aus diesen die ersten (?) Menschen, Ask und Embla. Mir scheint, da sollten mit Gewalt verschiedene Mythen mehr schlecht als recht zu einem zusammen geschmolzen werden.

Ja gut, bei der biblischen Genesis habe ich mich auch als Kind schon gefragt, mit wem sich denn Kain nun eigentlich zusammen getan hat, nachdem er seinen Bruder Abel erschlagen hatte, wenn seine Eltern Adam und Eva doch angeblich die ersten Menschen gewesen waren…

29.1.07

Voller Körpereinsatz

Die nordische Mythologie hat sich zwar im rauen, wilden Klima der nördlichen Gegenden entwickelt, aber müssen wir dieses deshalb ‚erhaben’ nennen? Vielleicht ist es auch einfach nur lebensbedrohlich, zumal unsere Ahnen keine Zentralheizungen kannten. Die Charaktere der Asen-Götter und -Helden sind demgemäß ebenso stürmisch und düster, aber wirklich sympathisch sind sie mir darum noch lange nicht. Ich bin eher ausgesprochen sonnenhungrig und fahre lieber im Urlaub in den Süden.

Mittlerweile kann ich die Runen schon ganz gut beim Spazierengehen aufsagen, vor allem, wenn ich sehr langsam gehe… - gaanz laangsaam im Zeit…lu…pen…tem…po.

Dann wollte ich mal den Wanen und Freya einen Besuch abstatten. Da war ich aber nicht schecht erstaunt, was gleich zu Beginn der Reise passierte.

Anderswelt: Ich erfuhr auf nonverbale Weise, dass der Zugang zu den Wanen nur über das Erleben der eigenen Sexualität, von Ekstase und Lust möglich ist. Zu ihnen kann ich nur als sexuelles Wesen gelangen und indem ich diesen Umstand rückhaltlos anerkenne. Es kam mir fast so vor, als ob ich mich zu ihnen durchvögeln müsste. Sie selber nahm ich als hohe, schmale Wesen wahr, in Weiß gekleidet mit hohen, hellen Kopfbedeckungen, ähnlich wie die schmalen, steilen Hüte der Pharaonen. Und ich hatte so gehofft, dass Freyas Halsband Brisingamen aus den Strahlen der Sonne bestünde, aber das sah ich nicht. Ich habe sie noch gefragt, warum sie keine Kinder hatte, ich weiß jedenfalls von keinen. Ich erfuhr, dass sie Mittel und Wege kannte, das zu verhindern und dass es auch überhaupt keine Bedeutung habe. Ich sah auch ihren Bruder Freyr ungefähr in der Gestalt, wie er hier abgebildet ist, nur wirkte er irgendwie jünger.


Es scheint so zu sein, dass zum Erfahren der Runen mehr gehört als ein kluger Kopf und ein williges Herz. Vielleicht verlangt es auch vollen Körpereinsatz. Und ich habe einen gehörigen Respekt vor den Wanen bekommen. Sie sind offensichtlich keine esoterischen Licht-und-Liebe Götter, denen ich ab und an mal eine Kerze anzünde...

27.1.07

Wanen und Asen

Mythologie ist immer schon eines meiner Interessensgebiete gewesen. Das fing schon früh mit Märchen, der Bibel und anderen Sagengeschichten bei mir an. Ich interessierte mich für die Griechischen und die Römischen Götter, die Sumerischen und die Ägyptischen, die Keltischen und natürlich auch für die Nordisch-Germanischen Götter und Göttinnen, deren Namen mir auch alle geläufig waren. Später verwarf ich diese Systeme wieder als zu patriarchal und interessierte mich nur noch für die Göttinnen aus aller Welt und allen Kulturen.

Bei der Beschäftigung mit den Runen ist es jedoch praktisch unmöglich, die Nordischen Götter und Göttinnen auszuklammern. Jede Rune ist auf der energetischen Ebene mit einer Gottheit verbunden. Meine Sympathien gehen dabei ganz klar in Richtung der Wanen, dem älteren der beiden Göttergeschlechter. Die Asen sind mir als Frau einfach zu kriegerisch. ‚Wanen’ bedeutet die Strahlenden, und gemeint waren wohl die Himmelslichter Sonne, Mond und Sterne, ebenso wie ein Feuergott, die angebetet wurden.

Im Runenbrieflehrgang steht ein Zitat von Tacitus: „Die Götter in Tempelwände einzuschließen oder der Menschengestalt irgend ähnlich zu bilden, dies halten sie für unverträglich mit der Größe der Himmlischen. Wälder und Haine weihen sie ihnen, und mit dem Namen der Gottheit bezeichnen sie jenes Geheimnis, das sie nur im Glauben schauen.“ Das erinnert mich an den Namen, den Teile der Amerikanischen Ureinwohner ihrem Schöpfergott geben: „Das Große Geheimnis“.

Ich könnte mir vorstellen, dass diese alten, mit Fruchtbarkeit und Fülle in Verbindung stehenden Gottheiten die Göttinnen des Alten Europa waren, einer friedlichen, neolithischen Ackerbaukultur, wie z.B. jener, von der das Fundmaterial zur Vinca-Schrift stammt.

Mit der Übernahme der Herrschaft durch die Asen wandelt sich die Vorstellung vom Göttlichen allmählich. Die Objekte der Anbetung erhalten nach und nach immer mehr individuelle Persönlichkeit und fassbare Gestalt. Aus den zuvor verehrten leuchtenden, abstrakten himmlischen Kräften werden menschenähnliche Charaktere.

In drei großen Wellen fielen die Indoeuropäer aus den kaukasischen Gegenden in Europa ein, Marija Gimbutas nennt sie nach den für sie typischen Grabhügeln ‚Kurganvölker’. Zu ihnen gehörten neben den Kelten, Hellenen, Slawen und Italikern auch die Germanen. Diese Völker brachten ein neues, personifiziertes Götterbild von kriegerischem Charakter mit sich und einen hierarchisch aufgebauten Pantheon. Das waren bei den Germanen die Asen mit ihrem Obergott, dem Sturmgott Wodan oder Wotan, nordisch Odin, an der Spitze.

Dort, wo sie eintrafen, kam es zu Kämpfen um den Reichtum des Landes. In der Edda (altisl. Urgroßmutter), der berühmten Isländischen Textsammlung, werden sie als gewaltiger, zerstörerischer Krieg zwischen den Wanen und den Asen beschrieben. Dieser konnte nur durch einen Austausch von Geiseln beendet werden. Danach gerieten die Wanen bis auf ihre bei den Asen lebenden Geiseln allmählich in Vergessenheit. Unter diesen Geiseln war auch Freya, die freie Frau, eine von mir sehr geschätzte Göttin, für mich der Inbegriff von Weiblichkeit.

26.1.07

Vinca-Schrift

Anderswelt: Ich ging in den Runenkreis und platzierte auf jeder dieser vierundzwanzig Steinplatten in der Reihenfolge des Älteren Futhark eine Rune mit ein paar Gedanken an die Themen der jeweiligen Zeichen.
Als ich nicht einschlafen konnte, überlegte ich mir, welche Rune wohl hilfreich dafür sein könne. Mir fiel Inguz ein, deren eine Bedeutung ‚Schutzkreis’ ist. Igor schreibt dazu: „Sie wirkt beschützend und wenn sie zum Wirken kommt, herrscht um einen wohltuende Ruhe. Man kann sie einsetzen, um Abstand vom ‚Lärm der Welt’ zu bekommen.“ Ich bin durch das auf einer Spitze stehende Quadrat, das diese Rune darstellt, hindurchgeklettert, um zu schauen, wie es dahinter aussah. Doch da war nichts, buchstäblich nichts zu sehen. Aber ich habe gut geschlafen, seit langem mal wieder ohne Unterbrechung. Und auch noch am Morgen war ich von einer ganz ungewohnten Gelassenheit.


Die Entstehung der Runen liegt im Dunklen. Heute kennen wir drei unterschiedliche Runenalphabete. Das Ältere Futhark, mit dem ich mich hier beschäftige, besteht aus 24 Zeichen und findet sich laut dem Lehrbrief zwischen 200 und 500 n.u.Z. im allgemeinen Gebrauch, Spuren lassen sich auch noch bis ins Mittelalter nachweisen. Um 700 taucht ein verändertes System auf mit nur 16 Runen, das Jüngere Futhark, welches nach rund hundert Jahren schon wieder verschwindet. Und dann gibt es noch das Angelsächsische Futhark mit 33 Zeichen, welches die Christianisierung bis ins 10. Jahrhundert überdauerte.

Auf eine Theorie zur Geschichte der Runen kam ich zum ersten Mal in dem Buch der Archäologin Marija Gimbutas ‚Die Zivilisation der Göttin’. Da fand ich Abbildungen der Vinca Schrift – sie nennt sie alt-europäisch – die als Felsritzungen und auf Statuetten und Keramik aus dem 6. bis ins 3. Jahrtausend v.u.Z. im Südosten Europas entlang des Donaubeckens gefunden worden sind. Im vorletzten Jahr wurde sogar der erste Satz aus dieser Schrift von einem amerikanischen Professor der Linguistik übersetzt. Er lautet «Bärgöttin und Vogelgöttin sind wirklich die Bärgöttin.» Aufgeschrieben wurde er vor rund 7000 Jahren.



25.1.07

Der Anfang

Anderswelt: Am Abend ging ich die Runen treffen. Ich war auf einer Lichtung in einem alten Wald, und um mich herum standen in einem Kreis von vielleicht acht bis zehn Metern Durchmesser vierundzwanzig ernste, erhabene Wesenheiten wie hoch aufragende Steinplatten, bestimmt drei bis vier Meter in der Höhe, von gelblich-bräunlicher Färbung. Im unteren Teil waren sie dunkel und massig, aber konturlos und nicht deutlich zu erkennen. Die oberen Ecken erinnerten mich an Schultern, die Gesichter blieben verborgen. Sie waren lebendig, schienen aber zu schlafen, warteten sie auf etwas?

Trotzdem verspürte ich eine wachsame Präsenz, eine konzentrierte Macht, die von ihnen ausging. Ich fühlte mich sehr klein aber ganz wohl und sicher in ihrer Mitte. Einmal meinte ich etwas von einer Beschädigung wahrgenommen zu haben, die mit ihrem Missbrauch im Dritten Reich zu tun hatte, das ging aber ganz schnell wieder vorbei, wurde wie ein Windhauch fortgeweht, und darunter spürte ich wieder die unglaubliche Kraft, die die Zeiten überdauert.


Ich schrieb mir die Runen auf einen kleinen Zettel, in drei Reihen mit je acht Zeichen, um sie auswendig zu lernen. Jetzt kann ich sie schon aufsagen. Ich habe sie dabei das erste Mal laut ausgesprochen, was zunächst sehr fremd und seltsam klingt. Dabei spürte ich, dass ich zu den Einzelnen ganz unterschiedliche Empfindungen habe, die wahrscheinlich mit der früheren Beschäftigung mit ihnen zu tun haben. Manche mag ich spontan (Gebo, Wunjo, Sowilo, Jera) manche gehören einfach dazu (Fehu, Uruz etc.), vor manchen fürchte ich mich (Hagalaz, Naudhiz, Isa), Eiwaz und Perthro sind mir sehr fremd und Algiz hatte ich total vergessen, obwohl sie meine persönliche Signatur bei der Keramikmalerei ist.

Auf meinem Spaziergang gegen Mittag habe ich die Runenreihe viele Male laut aufgesagt, möglichst im Takt meiner Schritte, was nicht so ganz klappte wegen der unzureichenden Konzentration. Die Namen erschienen mir teilweise sehr seltsam und fremd, vor allem die vielen ‚z’ am Ende. Plötzlich verstand ich, warum die Leute auf dem Forum so viel rumblödeln mit allen möglichen Wörtern, die sie so verdrehen, dass sie auf z enden.

Als ich W. die Runen aufsagte, wusste er gleich, was das ist. Ich muss also doch damals über die Runen mit ihm gesprochen haben. Hatte ich bloß vergessen.