27.1.07

Wanen und Asen

Mythologie ist immer schon eines meiner Interessensgebiete gewesen. Das fing schon früh mit Märchen, der Bibel und anderen Sagengeschichten bei mir an. Ich interessierte mich für die Griechischen und die Römischen Götter, die Sumerischen und die Ägyptischen, die Keltischen und natürlich auch für die Nordisch-Germanischen Götter und Göttinnen, deren Namen mir auch alle geläufig waren. Später verwarf ich diese Systeme wieder als zu patriarchal und interessierte mich nur noch für die Göttinnen aus aller Welt und allen Kulturen.

Bei der Beschäftigung mit den Runen ist es jedoch praktisch unmöglich, die Nordischen Götter und Göttinnen auszuklammern. Jede Rune ist auf der energetischen Ebene mit einer Gottheit verbunden. Meine Sympathien gehen dabei ganz klar in Richtung der Wanen, dem älteren der beiden Göttergeschlechter. Die Asen sind mir als Frau einfach zu kriegerisch. ‚Wanen’ bedeutet die Strahlenden, und gemeint waren wohl die Himmelslichter Sonne, Mond und Sterne, ebenso wie ein Feuergott, die angebetet wurden.

Im Runenbrieflehrgang steht ein Zitat von Tacitus: „Die Götter in Tempelwände einzuschließen oder der Menschengestalt irgend ähnlich zu bilden, dies halten sie für unverträglich mit der Größe der Himmlischen. Wälder und Haine weihen sie ihnen, und mit dem Namen der Gottheit bezeichnen sie jenes Geheimnis, das sie nur im Glauben schauen.“ Das erinnert mich an den Namen, den Teile der Amerikanischen Ureinwohner ihrem Schöpfergott geben: „Das Große Geheimnis“.

Ich könnte mir vorstellen, dass diese alten, mit Fruchtbarkeit und Fülle in Verbindung stehenden Gottheiten die Göttinnen des Alten Europa waren, einer friedlichen, neolithischen Ackerbaukultur, wie z.B. jener, von der das Fundmaterial zur Vinca-Schrift stammt.

Mit der Übernahme der Herrschaft durch die Asen wandelt sich die Vorstellung vom Göttlichen allmählich. Die Objekte der Anbetung erhalten nach und nach immer mehr individuelle Persönlichkeit und fassbare Gestalt. Aus den zuvor verehrten leuchtenden, abstrakten himmlischen Kräften werden menschenähnliche Charaktere.

In drei großen Wellen fielen die Indoeuropäer aus den kaukasischen Gegenden in Europa ein, Marija Gimbutas nennt sie nach den für sie typischen Grabhügeln ‚Kurganvölker’. Zu ihnen gehörten neben den Kelten, Hellenen, Slawen und Italikern auch die Germanen. Diese Völker brachten ein neues, personifiziertes Götterbild von kriegerischem Charakter mit sich und einen hierarchisch aufgebauten Pantheon. Das waren bei den Germanen die Asen mit ihrem Obergott, dem Sturmgott Wodan oder Wotan, nordisch Odin, an der Spitze.

Dort, wo sie eintrafen, kam es zu Kämpfen um den Reichtum des Landes. In der Edda (altisl. Urgroßmutter), der berühmten Isländischen Textsammlung, werden sie als gewaltiger, zerstörerischer Krieg zwischen den Wanen und den Asen beschrieben. Dieser konnte nur durch einen Austausch von Geiseln beendet werden. Danach gerieten die Wanen bis auf ihre bei den Asen lebenden Geiseln allmählich in Vergessenheit. Unter diesen Geiseln war auch Freya, die freie Frau, eine von mir sehr geschätzte Göttin, für mich der Inbegriff von Weiblichkeit.