23.2.07

Lebenserwartung

Jetzt versuch ich mir die ganze Zeit vorzustellen, wie das damals wohl war, als ein individuelles Menschenleben anscheinend noch nicht so viel wert war, wie wir heute meinen. Auch wenn es bei den Römern Sklaven gab, deren Wert auf Grund ihrer Bildung und ihrer Fähigkeiten in die Hunderttausende ging – in Euro umgerechnet.

Die allgemeine Lebenserwartung bei den Germanen war nicht sehr hoch, es gab viele Hungerzeiten, vor allem, nachdem das Klima sich am Ende der Bronzezeit verschlechtert hatte. Jede dritte Frau starb im Kindbett, von den Kindern selbst überlebte auch nur ein Teil. Die Männer stürzten sich Todes verachtend in die Kämpfe, die Tatsache, dass die Stämme sich gegenseitig heftig dezimierten, war bis nach Rom hin bekannt. Die gegnerischen Überlebenden wurden nach den siegreichen Kämpfen getötet und den Göttern geopfert ohne Ansehen ob Kind, Frau oder Greis. Dazu gab es das florierende Geschäft mit den Sklaven, deren Leben im Allgemeinen nur den Wert einer Ware hatte und im Bergwerk oder auf den Galeeren auch allzu schnell beendet war.

Was war ihnen das Leben wirklich wert? Welche Lebenserwartung hatten sie, mal in Bezug auf die Qualität gesehen? Möglicherweise geben darüber ihre Mythen und ihre Jenseitsvorstellungen Auskunft.

Die überlieferten Trinkgewohnheiten deuten für mich jedenfalls darauf hin, dass sie darauf angewiesen waren, sich ihr Leben schön zu saufen.

Zur Vorbeugung gegen den drohenden Germanenwahn lese ich zwischenzeitlich mal ein Buch über die Kelten in der Rhön. Das ist zwar nicht so doll geschrieben, aber mal eine nette Abwechslung zu den doch eher düsteren Germanengeschichten. Und endlich weiß ich auch, dass die Kelten vor den Germanen hier waren - und anscheinend ein heiterer Menschenschlag. Aber welche von ihnen waren nun meine Vorfahren?

20.2.07

Noch mehr Quellen

Es wird immer aufregender. Mittlerweile lese ich von Jenny Blain „Seidr“, ein Buch über eine nordische Art der Weissagung, die sehr an die schamanische Reisetechnik erinnert.

Zeitgleich lese ich ein Buch über „Die ersten Deutschen“ von S. Fischer-Fabian, spannend wie ein Krimi! Der Buchtitel ist zwar nicht ganz korrekt, denn Deutsche waren es damals sicher nicht. Wenn es auch einen Stamm mit dem Namen „Teutonen“ gab, der aber schon rund hundert Jahre vor der Zeitenwende ausgelöscht wurde. Die einzelnen Kapitelüberschriften sind auch nicht anders als reißerisch wie Bild-Zeitungs-Schlagzeilen zu nennen. Aber in dem Buch steht z.B. drin, dass die Runen möglicherweise aus dem etruskischen Alphabet abgeleitet worden sind, welches die Kimbern und Teutonen bei einer ihrer Begegnungen mit den Römern kennen gelernt und in ihre Jütländische Heimat gebracht haben. Ich habe auch begriffen, dass die nordische und die germanische Mythologie zwei Paar Schuh sind. Ja, es gibt nicht einmal eine einheitliche germanische Mythologie. Mythologien sind so lebendig und veränderlich wie die Sprache oder die menschliche Kultur überhaupt.

So wie die Germanen in dem Buch beschrieben werden, haben sie mich sehr an die Ureinwohner von Nordamerika erinnert. Sie waren stolz, aufbrausend und tapfer, immer bereit, die eigene Ehre oder was sie darunter verstanden, mit Fäusten oder Waffen zu verteidigen. Sie lebten in Stämmen, die untereinander zerstritten und in andauernde kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt waren und zeigten im Kampf eine wilde Grausamkeit (im Gegensatz zu der kalkulierten Grausamkeit der Römer). Z.B. machten sie oft keine Gefangenen, sondern opferten alle Gegner samt der Beute ihren Göttern, hängten sie in Bäumen auf, schlachteten sie auf Altären und in Gruben. Sie hatten einen unbändigen Freiheitswillen und wählten Anführer nur im Kriegsfall, und die Frauen trugen das Haar in der Mitte gescheitelt in zwei geflochtenen Zöpfen – angeblich erfanden die Germanen sogar die Haarbürste. Später trugen die Germaninnen aber auch noch andere Frisuren.

Sie hielten sich auch Sklaven, vor allem slawische, gallische und römische, die letzteren brachten u.U. gute Lösegelder ein. Die Kriegsgefangenen aus den Nachbarstämmen verhökerten sie bei den Sklavenhändlern, die teilweise zu ihnen kamen, aber auch in jeder römischen Garnison zu finden waren, denn germanische Sklaven standen in Rom hoch im Kurs. Genauso machten es vor ein paar Hundert Jahren noch die Afrikaner miteinander.

Und ich habe Arminius-Superheld mal ein bisschen näher kennen gelernt. Offensichtlich haben wir es den Fähigkeiten und Absichten dieses Cheruskers, der nicht Hermann hieß, zu verdanken, dass wir heute in Deutschland keine romanische Sprache sprechen, obwohl manche meinen, die Cherusker seien eher Kelten als Germanen gewesen. Aber vielleicht hätten wir uns im anderen Falle die Erbfeindschaft mit Frankreich, die Nazis und die zwei Weltkriege sparen können, wer weiß?

Habe schon wieder ein neues Buch bestellt – Rudolf Simeks „Götter und Kulte der Germanen“, und aktuell überlege ich, mir auch Tacitus „Germania“ zuzulegen. Ich komme gar nicht mehr dazu, im Runenlehrgang weiterzulesen, weil ich auch noch möglichst viel über die germanischen Frauen erfahren will. Ich befürchte langsam, ich gerate momentan in einen Germanenwahn.

18.2.07

Prinzessin, Riesin, Meereswellen

Und dann gibt es noch eine nette Geschichte, die fast wie ein Märchen anmutet, von einer russischen Prinzessin namens Rindr (Rind, Rinda), die „weiß wie die Sonne“ war (eine Sonnengöttin?). Odin reiste als Krieger verkleidet an ihren Hof, um sie für sich zu gewinnen. Er vollbrachte viele Heldentaten, aber sie wies ihn ab. Im nächsten Jahr kam er als kunstfertiger, reicher Goldschmied wieder und fertigte die schönsten Schmuckstücke für sie an, konnte ihr Herz aber immer noch nicht erweichen. Im dritten Jahr erschien er als junger Ritter, der alle Turniere gewann, trotzdem stieß ihn Rindr beim Tanz heftig von sich. Als alte Heilerin verkleidet trat er daraufhin in ihre Dienste und heilte sie von einer Krankheit, mit der er sie selber vorher belegt hatte. So eroberte er sie, und schließlich gebar sie Vali, der am Tag nach seiner Geburt Balders Mörder erschlug, seinen Halbbruder, der auch ein Sohn Odins war.

Odin hatte nämlich die Seherin Vala von den Toten erweckt und über den Tod seines Sohnes Balder befragt, und sie hatte ihm geweissagt, nur sein mit Rindr gezeugter Sohn könne als einziger dessen Tod rächen.

Eine weitere weibliche Gestalt ist die Riesin Gunnlöd, die Mutter der Dichtkunst und die Hüterin der Kessel mit dem Skaldenmet. Wer von diesem Met trank, wurde von Inspiration ergriffen und zu einem Meister der Poesie. Natürlich wollte Odin davon trinken, aber Gunnlöds Vater verweigerte es ihm. So schlich er heimlich des Nachts zu ihr und verbrachte drei Nächte dort. Sie wollte ihm dafür drei Schlucke spendieren, er aber trank die ganzen Kessel aus. In Adlergestalt floh er daraufhin. Gunnlöd gebar später Bragi, den Gott der Dichtkunst.

Vielleicht aber hat sich Snorri, der Autor der Edda, diese Geschichte auch nur ausgedacht, um einen historisch belegten, isländischen Dichter gleichen Namens aus dem 9. Jahrhundert zu ehren.

Es gab auch noch die neun Töchter Ägirs, des Meeresherrschers, die anzusehen wie Meereswellen gemeinsam einen weiteren Sohn Odins gebaren, nämlich Heimdall. Von dem gibt es später bestimmt auch noch mehr zu erfahren.

Alles in allem ist zu sehen, dass Odin und seine Anhänger mit der Verbreitung ihres Samens nicht faul waren. Unter welchen Umständen das jeweilig genau geschah, wissen wir heute nicht mehr mit Sicherheit. Aber gemäß den gegenwärtigen Kriegs- und Eroberungspraktiken werden eine ganze Menge Vergewaltigungen dabei gewesen sein. Und das ist für mich als Frau keine lustige Vorstellung, die mir irgendwelchen Respekt abverlangt.

13.2.07

Die ersten Asinnen

Nun zu den Göttinnen, die direkt mit Wodan in Verbindung gebracht werden. Als älteste Asin wurde Jord, Jörd, Erda oder Fjörgyn bezeichnet, die Riesengöttin der Erde, die noch vor der Erschaffung der Menschen existierte. Wahrscheinlich wurde sie aber eher von den Invasoren adoptiert und unterworfen, als das Land erobert wurde. Diese älteste Göttin, deren sämtliche Namen ‚Erde’ bedeuten, wurde auf hohen Bergen verehrt, weil die Menschen glaubten, dort hätte sie sich mit dem Himmel gepaart. Sie wird als Tochter der Nachtgöttin Nott angesehen und gebar den gewaltigen Thor (Donar, Donnerer), Wodans Sohn. Als Beschützerin des Hauses und Herdes wurde sie Hlödyn oder Hludana genannt.

Die zweite Frau ist Frigg (Frigga, Fricka, Frija, Frea). Auch von ihr heißt es an einer Stelle, sie sei eine Tochter Notts, der Nacht. Andere meinen, Fjörgyn sei ihre Mutter gewesen, also die Erdgöttin Jörd. Angeblich war sie zuerst mit Teiwaz (Tiwaz, Tius, Tyr) verheiratet, dem Vorgänger Wodans. Als dieser die Oberherrschaft gewaltsam an sich riss, nahm er auch die Frau seines Vorgängers zur Frau, wahrscheinlich ebenso gewaltsam. Sie gebar Balder (Fürst), den lichten Gott, außerdem zwei weitere Söhne. So viel ich über Wodan las, so wenig wird über die Göttin berichtet. Sie hatte ihren Platz in ihrem Palast, umgeben von Dienerinnen oder Schwestern, möglicherweise Aspekten ihrer selbst. Dort gab sie Rat und Segen und empfing - auf goldenem Rocken spinnend, zuständig für das Glück der Ehe - die Bitten von Schutzsuchenden. Als Wissende wird sie bezeichnet, aber auch als Schweigende, die ihr Wissen nicht preisgab. Paul Hermann nennt sie die „Jungfrau der Sonne“, deren goldener Palast und Schmuck das Strahlen des Tagesgestirns repräsentieren. Das einzige Mal, wo sie aktiv wird, versucht sie, das Leben ihres Sohnes Balder zu schützen und verurteilt ihn damit tragischerweise zum Tode. Um ihre Wesenseinheit mit der Wanengöttin Freya herrscht bis heute keine Einigkeit unter den Mythenforschern. Die Vorstellung aber, dass aus der freien, in jeder Hinsicht selbstbestimmten Frau so ein domestiziertes Hausmütterchen wurde, geht mir jedenfalls ziemlich gegen den Strich.


In späteren Jahrhunderten machte Frigg dann mehr von sich reden. In Mecklenburg war sie noch vor wenigen Jahrhunderten als „Gode“ (weibl. Form von Wodan) bekannt, in Thüringen und Hessen als Frau Holda oder Hulda (Frau Holle), und im Süden war ihr Name Percht, Berchta oder Berta. Als Kind kannte ich Frau Holle schon aus ihrem Märchen und von dem Ausspruch, dass sie ihre Betten ausschüttelt, wenn es schneite. Gemeinsam mit Wodan führte sie in den Raunächten die wilde Jagd an, ihr Tag ist der 6. Januar. Viele Legenden ranken sich um sie, und viele Vorschriften bezüglich Haushaltsarbeiten waren während dieser Zeit zu beachten.

Als doppeltes Kuriosum sehe ich jedoch die Geschichte an, in der sie dem im Berge schlafenden Kaiser Barbarossa angeblich die Hauswirtschaft führen soll.

11.2.07

Quellen und Erben

Mittlerweile habe ich zusätzlich zu dem Text des Runenbrieflehrgangs die alten Bücher hervorgekramt, bzw. das, was ich davon noch nicht wieder verkauft hatte, weil die Sache zieht mich immer mehr in ihren Bann. Leider gehört „Helrunar“ von Jan Fries zu denen, die ich weitergegeben habe.

Am meisten lese ich in „Der Brunnen der Erinnerung“ von Ralph Metzner, und für die Göttinnen der nordischen Mythologie habe ich mein „Lexikon der Göttinnen“ von Patricia Monaghan noch einmal hervorgeholt. Nachgelesen habe ich auch immer mal wieder bei Tor Age Bringsvaerd, der die nordische Mythologie in einem temperamentvollen und angeblich gut recherchierten Roman namens „Die wilden Götter“ verarbeitet hat, und in Freya Aswynns „Die Blätter von Yggdrasil“. Dann habe ich vor einigen Monaten mal die Lizenzausgabe eines altertümlichen Werkes von 1898 günstig bei Weltbild erstanden: „Deutsche Mythologie“ von Paul Hermann, worin es gewaltig tümelt und wild spekuliert wird. Weitere Bücher liegen noch ungeöffnet herum, und Webseiten habe ich auch schon entdeckt.


Je tiefer ich mich auf diesen Wodan-Mythos einlasse, umso mehr bekomme ich den Eindruck, dass ich wirklich eine Nachfahrin derjenigen Leute bin, die diesen Gott als ihren obersten ansahen. Und ich meine auch zu erkennen, dass die gelebten Werte unserer modernen Gesellschaft immer noch von jenen Überzeugungen beeinflusst sind. Als erstes fiel mir dazu ‚Forschung um jeden Preis’ ein, Genmanipulation, Stammzellenforschung, militärische Forschung, um nur einiges zu nennen. Die christlichen Vorstellungen liegen nur wie eine dünne Tünche darüber und sind mehr im Bereich des Über-Ichs, bei Gewissensbelangen und Fragen der Ethik anzusiedeln.

7.2.07

Odin/Wodan

O je, jetzt muss ich Farbe bekennen: ich mag keine männlichen Eingötter! Ich bin der festen Überzeugung, dass so lange Männer die Welt beherrschen, es keinen Frieden geben kann. So etwas wird wohl in manchen Kreisen ein Autoritätsproblem genannt, glaube ich.

Jetzt kommen nämlich Odin/Wodan und später auch noch sein Sohn Thor, der alte Haudrauf, im Lerntext dran. Ich werde nicht um sie herum kommen, wie es scheint. Zumal es in der Nähe unseres Dorfes einen Hügel mit dem Namen „Wadberg“ gibt. Wodans Berg ist sozusagen unser Hausberg.


Anderswelt: Dort oben habe ich mal den Berggeist gerufen und war gespannt, ob es Wodan sein würde, der sich zeigt. Es tauchte auch eine männliche Geistergestalt auf, die mich aber eher an Rübezahl erinnerte, ich weiß auch nicht genau wieso. Er war ziemlich groß und grobschlächtig, aber relativ wohlwollend, und ich fühlte mich von ihm gutmütig und etwas abschätzig belächelt. Ich werde ihn bestimmt noch mal besuchen gehen.


Ich bin erstaunt zu erfahren, wie viele verschiedene Charaktere Odins/Wodans beschrieben werden.

  • Der Allvater: an der Spitze der zwölf Asen (der Olymp lässt grüßen), mit Goldhelm und Speer in seiner goldenen Halle ernährt er sich ausschließlich von Rotwein. Seine beiden Raben Hugin (Erkenntnis) und Munin (Erinnerung) sitzen neben seinem Haupt und flüstern ihm die Geheimnisse der verschiedenen Welten ins Ohr.
  • Der Weltenschöpfer: er erschafft die Welt aus dem Körper Ymirs (bevor etwas neu geschaffen wird, muss erstmal ein Vorfahre ermordet werden!) und die Menschen aus zwei Hölzern.
  • Der Sturmgott: auf seinem achtbeinigen Schimmel Sleipnir, mit Schlapphut und weitem, blauen Mantel reitet er an Mittwinter als „Wilder Jäger“ an der Spitze eines auf den Sturmwinden daher brausenden, wütenden Heeres, der „Wilden Jagd“.
  • Der Himmelsgott: ein milder, segnender, Fruchtbarkeit spendender Wettergott
  • Der Wintergott: das Winterwetter machend
  • Der schlafende Gott: im Zauberschlaf träumend wie Barbarossa, Merlin und König Artus.
  • Der Kriegsgott: mit seinen Raben und den Walküren wurden ihm auch Menschen geopfert.
  • Der gütige Gott: zusammen mit seiner Frau rettet und unterrichtet er zwei gestrandete Königssöhne.
  • Der Totengott: das nächtliche Heer besteht aus den Seelen Verstorbener, die Odin/Wodan im Inneren der Berge, seinem unterirdischen Reich, sammelt.
  • Der Schamane und wissende Gott: er opfert ein Auge für den Trunk aus dem Brunnen der Erkenntnis. Angeblich erfand er sogar die Runen, die ihm Macht und Wissen verliehen, indem er sich einer neuntägigen Initiation, am Baum hängend, unterzog. (Es ist ja immerhin auch möglich, dass er sie für einen guten Batzen irgendeines gängigen Tauschmittels einem fahrenden Händler abhandelte, denn andere Völker benutzten Schriftzeichen bereits seit Jahrhunderten. Clever war es in jedem Falle.) Mit einem der weisesten Riesen lässt er sich auf einen Wissenswettstreit ein, den er durch einem Trick gewinnt. - Er verwandelt sich auch in Vögel oder andere wilde Tiere, Fische oder Drachen und reist in weit entfernte Gegenden, während sein Körper aussieht, als schliefe er oder sei tot. Er lernt, mit den Toten zu kommunizieren und verwendet den abgeschlagenen Kopf des Riesen Mimir zur Weissagung.
  • Der merkurische Gott: die Römer setzten Odin/Wodan mit ihrem Götterboten Merkur gleich. Der Erwecker des Verstandes, der Wissen und wahres Verstehen schenken, aber außer Kontrolle geraten auch in den Wahnsinn treiben kann.

Es sind mehr als einhundert Namen dieses Gottes überliefert, die uns Aufschluss über sein Wesen und Treiben geben können. Den Namen der Schrecken haben wir schon im Zusammenhang mit Yggdrasil kennen gelernt. Weiter wurde er der Veränderliche, der Wachsame, der Hängende, der Maskierte, der Zwiefältige, der Wahrheitsfinder, der Verborgene, Jägerhansl, Hackelberend, Helljäger und Schimmelreiter genannt.

Odin/Wodan war zunächst der Gott der aristokratischen Kriegerkasten, der Stammesfürsten und deren Gefolge. Beim einfachen Landvolk war Odin damals nicht sehr beliebt, diese Menschen fühlten sich den alten Vegetationsgottheiten der Wanen näher verbunden. Das hat sich im Zuge der Christianisierung bestimmt geändert. Da waren es dann die einfachen Leute, die ihm am längsten die Treue hielten, und dafür in späteren Jahrhunderten nicht selten vor der Inquisition landeten.

Im Vorwort zur Prosa-Edda wird erwähnt, Odin/Wodan und die ihn begleitenden Asen seien Menschen gewesen, die ursprünglich aus Asien kamen, und deren König er war. Christlicher Kunstgriff oder Tatsache? Das wird heute niemand mehr herausfinden können, ist aber ein Gedanke, der mir gefällt. Denn es waren in jedem Fall Menschen, die diese Gottesvorstellung auf ihren Eroberungszügen mit sich brachten.

Ich selber habe zumindest begriffen, dass es sich bei diesem Gott um ein Prinzip handelt, dass ich in einer Ultrakurzform als Erkenntnisdrang und Durchsetzungswillen bezeichnen möchte. Zwei Eigenschaften, die mir auch nicht ganz fremd sind, denn immerhin bin ich zurzeit ja auch auf Erkenntnissuche, in Bezug auf die Runen nämlich. Also Odin/Wodan, der Einäugige unter den Blinden, existiert. Ich muss ihn wohl anerkennen, aber verehren und feiern muss ich ihn deswegen noch lange nicht, oder?
Wer weiß?

3.2.07

Yggdrasil

Und jetzt kommt Yggdrasil ins Spiel, der Weltenbaum, dem Namen nach ‚Träger des Schreckens’, Odins Reittier. Dieser Baum hat schon immer meine Phantasie beflügelt, ganz egal, ob es nun eine Esche, eine Eibe oder eine Eberesche ist. Ein Baum so groß wie die Welt, was für eine Idee…

Anderswelt: Diesen Baum kenne ich aus meinen Visionen. In den unterirdischen Teichen habe ich schon gebadet, bin an seinem Stamm hinauf und herab geflogen und konnte die verschiedenen Ebenen besuchen, die sich daran gliedern. Ich habe Wesen dort getroffen - waren es vielleicht sogar Ahnen oder Götter?

Einmal traf ich eine alte Frau, die am Boden hockte und zwischen ihren Händen kleine Kugeln drehte. Das Material dafür nahm sie von einem ungeformten Kloß, der neben ihr auf dem Boden lag. Sie sagte, dass diese Kugeln für mich seien, es wären „Lustkugeln“. Für jede dieser Kugeln dürfe ich einmal Lust empfinden, und wenn sie verbraucht wären, könnte ich mir neue holen.

Sie tat mir eine ganze Menge davon in einen Beutel und hängte mir den um den Hals. Ich bedankte mich und ging weiter. Als nächstes traf ich einen alten Mann. Struppiges, strohgelbes Haar wuchs ihm aus Nase und Ohren, und einen riesigen, borstigen, gelben Schnurrbart hatte er auch. Mit einem Spaten grub er in der Erde, und ich gab ihm eine meiner Kugeln, die er nahm und in die aufgebrochene Erde legte.

Daraufhin konnten wir beide dabei zusehen, wie ein Schößling daraus hervor wuchs. Er entwickelte sich zu einem kleinen Apfelbaum, und Früchte waren auch schon daran. Der alte Mann pflückte einen reifen, rot-gelben Apfel für mich, und ich biss voller Lust hinein. Der Apfel war süß und saftig und füllte mit seiner Frische und seinem Aroma meinen Mund aufs Köstlichste. Ich spürte auch, wie neue Energie durch meinen ganzen Körper strömte von diesem einen Bissen ausgehend. Ich dankte dem alten Mann dafür und ging noch weiter.

Dann traf ich ein Kind mit goldblonden Löckchen in einem kurzen, weißen Hemdchen. Es tanzte auf nackten Füßen ganz leicht einher, wir fassten uns bei den Händen und tanzten gemeinsam weiter. Immer schneller und wilder ging es im Kreis herum, in dessen Mitte dabei ein Wirbel aus luftiger Energie entstand.

Die drei Ebenen, in die manche Autoren die verschiedenen Welten des Baumes einteilen, erinnern mich an die drei Welten des Schamanismus, die Obere Welt mit Asgard und Lichtalbenheim, die Mittlere Welt, bestehend aus Midgard und in den vier Himmelsichtungen Jötunheim, Muspellheim, Vanaheim und Niflheim und die Untere Welt mit Schwarzalbenheim und Hels Reich.

In einigen Nacherzählungen bauen die Asen Midgard, die Welt der Menschen, aus den Augenbrauen des Urriesen Ymir. Dort mitten hinein, auf einen Berggipfel stellen sie Asgard, ihre eigene Wohnstätte, und in die Mitte Asgards pflanzen sie die immergrüne Yggdrasil, welche die gesamte Erde überschattet. Auf manchen Bildern sieht es so aus, als ob alle neun Welten in den Zweigen Yggdrasils aufgehängt sind, ähnlich angeordnet wie die Stationen der Kabbala, bloß anstatt Zehn Welten sind es nur Neun.


Und dann die Tiere, die im Baum leben! Oben sitzt der Adler, und unten nagt der Drache an den Wurzeln, und zwischen ihnen flitzt das Eichhörnchen, welches die Beschimpfungen der beiden gegeneinander hin und her trägt. Zwei schöne Schwäne ziehen schweigend auf dem Wasserspiegel des Urd-Brunnens ihre Kreise, fünf Hirsche äsen an den Blättern und Knospen des Baumes, und die Met spendende Ziege Heidrun knabbert in Asgard am Wipfel von Yggdrasil. Heidrun nun wiederum erinnert mich an die Ziege, von der Zeus, der griechische Allvater, großgezogen wurde.

Am heiligen Urdbrunnen der Weisheit sitzen die drei ernsten Nornen Urd (Vergangenheit), Skuld (Zukunft) und Werdandi (Gegenwart) und spinnen, weben und schneiden die Fäden des Lebens. Sie erinnern auch sehr an die Göttinnentriaden des antiken Griechenlands.